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AutorenbildAlva Bücking

Die Macht der Sprache

Aktualisiert: 16. Mai 2022

Sprache ist im Wandel und gerade passiert eine ganze Menge. Dabei spielt es eine große Rolle, alle mit in diesen Prozess einzubinden. Jedoch fühlen sich viele dabei nicht angesprochen - wortwörtlich. Denn oft wird falsch oder gar nicht gegendert. Was das für Auswirkungen hat und wie du Teil des Wandels sein kannst, liest du hier!


Anlehnend an bekannte Toolkits, die eine Palette an Werkzeugen zur Reparatur oder Renovierung bereitstellen, soll mit dem speziellen Werkzeugkit in diesem Artikel unser Sprachgebrauch auf Vordermann(FRAU) gebracht werden. Was soll behoben werden? Sprachliche Diskriminierung und das Ausschließen von Minderheiten in unserer Gesellschaft. Beginnend vom kleinsten Rädchen der Gesellschaft, uns selbst, kann man sich die Werkzeuge zu eigen machen. Dadurch können maßgeblich die Rahmenbedingungen unseres Zusammenlebens in Politik, Wirtschaft und öffentlichen Institutionen manifestiert und fundamental durch das Einsetzen des Werkzeugkoffers auf der nächsten Seite verändert werden.


Sprache ist wichtig. Wie wichtig, geht damit einher, wie viel Macht man der Sprache gibt.


Weg von Aliens, rein in den Diskurs


Dass Sprache einen bestimmten „Zeitgeist“ widerspiegeln kann, ist keine kontroverse Annahme. In ihr zeigt sich unsere derzeitige gesellschaftliche Verfassung. Sie repräsentiert die Vielfältigkeit der Bürger*innen und ihre Ängste und Hoffnungen. Dann gibt es da noch die „Sapir-Whorf-Hypothese“. Sprache spiegelt nicht, hier die zentrale Annahme, sondern beeinflusst und formt ähnlich wie die Zeit unsere Realität. Die in kreisförmigen Schallwellen kommunizierenden Aliens des Films „Arrival“ verdeutlichen, dass ihr uns fremder Weg der Kommunikation ihr Erfahren der Realität konstruiert.


Was in Debatten um geschlechtergerechte Sprache immer wieder aufkommt, ist das Stichwort „Sichtbarkeit“, was vielleicht erstmal verwunderlich erscheint. So haben doch alle, wenn ich ein Wort verwende, ein Bild im Kopf. Voilà, so hat fast jedes Wort seinen Memory-Bildpartner. So einfach, so gut. Nun stell dir aber mal vor, dass für zwei verschiedene Bilder, zwei verschiedene Realitäten das gleiche Wort verwendet wird. Die Rede ist von Doppeldeutigkeit. Ein Wort kann vielleicht beides beschreiben, wenn du im Vorhinein weißt, was gemeint ist. Ein Beispiel wäre Bank - entweder zum Sitzen oder zum Geld abheben. Weißt du, was gemeint ist?


Dann jetzt ein Beispielrätsel: Ein Vater und sein Sohn fahren gemeinsam im Auto und haben einen grässlichen Autounfall. Der Vater ist sofort tot. Der Sohn wird mit Blaulicht ins Krankenhaus gefahren und sofort in den Operationssaal gebracht. Der Arzt besieht ihn sich kurz und meint, man müsse eine Koryphäe zu Rate ziehen. Diese kommt, sieht den jungen Mann auf dem Operationstisch und meint: „Ich kann ihn nicht operieren, er ist mein Sohn.“ In welchem Verwandtschaftsverhältnis stehen nun der Chirurg und das Kind?


Die Lösung findest du ganz unten!


Durch die Anwesenheit von Gendergap/Sternchen oder Doppelpunkt hätten wir die Option, dass es sich um ein*e Chirurg*in handelt und folglich, dass sie die Mutter ist, einfach entziffern können.

Wenn im Sprachgebrauch die maskuline Form „Chirurg“ verwendet wird, um nicht nur Menschen, die sich dem männlichen Geschlecht angehörig fühlen, anzureden, spricht man von einem generischen Maskulinum. Was dieses Rätsel offenlegt, ist eben, dass durch das generische Maskulinum Frauen keine Repräsentation finden. Man kann natürlich argumentieren, das Rätsel ist hinterlistig gestellt, somit lebensfern. Wenn dein*e Lehrer*in beispielsweise „der Schüler hat seine Hausaufgabe nicht gemacht“ vermerkt, weißt du leider, dass du da auch dazugehörst.


Leider ist das „Mitgemeintwerden“ auf gesellschaftlicher Ebene schwerer zu rechtfertigen. Besonders, wenn die Konsequenz ist, dass man sich als junger Mensch aufgrund seines Geschlechts nicht in bestimmten Berufen „sieht“. Diesen Effekt der linguistischen Ausgrenzung demonstrieren Bem & Bem (zwei verheiratete Sozialpsychologen aus den USA) in einem klassischen Experiment der sozialen Psychologie.

Das Experiment beruht darauf, zu beobachten, wie viele Frauen sich auf stereotypisch männliche Stellenausschreibungen bewerben, die im generischen Maskulinum verfasst sind, im Vergleich zu einer Stellenanzeige, die beide Geschlechter nennt. Das Ergebnis: Wenn Frauen sich angesprochen fühlen, schlägt sich das auch in ihrem Verhalten nieder, in der inklusiven Form hat sich der Anteil der Bewerberinnen von fünf um 25 % gesteigert.


Ausgrenzung ist etwas Bewusstes. Ein Unfall ist dies nicht. Unser Gehirn reagiert auf Ausgrenzung wie auf physischen Schmerz im „Cingulate Cortex“. Aua! Sprache ist also nicht unschuldig. Das grammatische Geschlecht wird so zum geflügelten Wort, das eindeutig Konsequenzen auf das soziale, politische und ökonomische Geschlecht hat. Eine gewisse zweigeteilte Geschlechterordnung wird durch den Sprachgebrauch also aufrechterhalten. Inklusive Sprache erhöht da Chancengleichheit, wo sich Menschen nicht als Arzt sehen; nicht aufgrund ihrer Fähigkeiten, sondern aufgrund ihres Geschlechts. Und ihres durch Sprache mit konstruierten mentalen Bildes davon, wer Arzt sein kann. Die Sozialpsychologin Sabine Sczesny spricht dadurch auch von „Sprache als Einladung“. Eine Einladung dazu, sich selbst und alle anderen in verschiedenen Rollen sehen zu können. Bei der Selbstbeschreibung von Frauen als „Ich bin Arzt“ finden auch bewusste und unbewusste Wertezusprechungen bestimmter Rollen ihren Niederschlag. Und auch in Studien konnte dieser Effekt des Aufwertens des eigenen Selbst als Frau durch Selbstbeschreibung in der männlichen Form repliziert werden.


In Schweden, wo es wie in vielen Dingen früher Studien zur Einführung zu geschlechtergerechter Sprache gab, wurde herausgefunden, dass gerade sexistische Grundannahmen Menschen dazu bewegten, gender-inklusive Sprache abzulehnen. Aber dass sich nach einem Zeitraum von zehn Jahren die Meinungen sehr stark gewandelt haben und gender-inklusive Sprache mittlerweile auf mehr Befürwortung stößt, liegt an der Tatsache, dass sich Menschen daran gewöhnt haben. Sprache ist also auch ein dynamischer Prozess. Und dass man mal Fehler macht, ist selbstverständlich, es handelt sich ja immer noch um einen Lernprozess.


Was sind die Tools, mit denen ich alle ansprechen kann, ohne auszugrenzen?


Paarform: Schülerinnen und Schüler

Splitting: Schüler/innen

Binnen-i: SchülerInnen


Die Lösung des Sichtbarmachens nur mit den oben beschriebenen Methoden scheint an seine Grenzen zu kommen, sobald man sich als nicht binär versteht. Hier hilft:


Genderstern: Schüler*innen

Gendergap: Schüler_innen

Doppelpunkt: Schüler:innen

Neutralisieren: Schülerschaft, die Klasse...


Diese Lösungen symbolisieren einen Raum für Geschlechterformen jenseits des „männlich/weiblich“-Paradigmas.


Meinungen zu geschlechtergerechter Sprache gehen auseinander, nicht nur aus sexistischen Grundannahmen, sondern auch durch Stimmen, die meinen, dass Strategien zur Sichtbarmachung von Frauen diese nur weiter benachteiligen würden, da das Geschlecht an sich eine zu große Rolle spielt, wo es doch eigentlich egal sein sollte. Auch mit dem Argument der Meinungsfreiheit wird oft argumentiert. Gendern würde vorschreiben, wie geredet werden dürfe. Wie siehst du das?



Lösung: Es ist seine Mutter! Dies hätte man sofort gewusst, hätte man einfach das Wort seinem Geschlecht angepasst.


#micdrop - dieser Artikel ist eine Meinung der Redakteurin

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