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Diskussion um eine Pflanze

Als ich noch ein Kind war, dachte ich immer, dass es Cannabis und Drogendealer nur am Bahnhof Zoo in Berlin gibt. Die Realität sah dann aber doch etwas anders aus. Ich war 16, als mir an einem warmen Sommerabend auf dem Spielplatz in der Nachbarschaft zum ersten Mal ein Joint angeboten wurde; und obwohl ich in der Gruppe nicht die Jüngste war, hatten es alle anderen schon mindestens ein- oder zweimal ausprobiert. Seitdem bin ich auf kaum einer Party gewesen, auf der nicht irgendjemand „etwas zum Buffen“ dabei hatte. Heute bin ich 19 Jahre alt und die Situation hat sich kaum verändert: ein Bericht der BZgA (Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung) zeigt, dass 2019 etwa jede*r zehnte Jugendliche zwischen 12 und 17 Jahren Gras geraucht hat. Die BZgA veröffentlicht in mehrjährigen Abständen einen Bericht zur Drogenaffinität Jugendlicher in Deutschland. Dafür werden Jugendliche zwischen 12 und 25 Jahren telefonisch interviewt. Die Trends des Cannabiskonsums, die mit dem Bericht veröffentlicht werden, zeigen, dass dieser seit mehreren Jahren ansteigt.


Cannabis ist auch in Hamburg ein ziemlich etablierter Bestandteil des Jugendlebens, ganz egal in welchem Viertel. Die GRÜNEN sind dabei schon länger der Meinung: „Die Prohibitionspolitik im Bereich von Cannabis ist vollständig gescheitert.“ Damit ist gemeint, dass die Il­le­ga­li­tät, also das Verbot der Droge, viele Jugendliche nicht davor abschreckt, sie zu konsumieren. Aus diesem Grund will die Ampelkoalition – von den Grünen sehr begrüßt – eine neue Strategie des Jugendschutzes ausprobieren und hat 2021 „die kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene [...]“ mit in den Koalitionsvertrag aufgenommen. An dieser Entscheidung spalten sich momentan die Geister. Viele befürworten die geplante Legalisierung, während ihr andere skeptisch gegenüberstehen. Da stellt sich natürlich die Frage, welche Aspekte dafür und welche dagegen sprechen.


Befürworter*innen und die Koalition erhoffen sich von der Entkriminalisierung einen Rückgang des Schwarzmarktes, der sich um den Verbrauch von Cannabis geformt hat. Zwar gibt es momentan keine genauen Daten über die dortigen Umsätze, fest steht aber, dass Cannabis die am meisten konsumierte illegale Droge in Deutschland ist. Allein zwischen 2002 und 2020 ist der durchschnittliche Straßenpreis von 7,20 Euro auf 10 Euro gestiegen.


Mit einer Entkriminalisierung könnten außerdem die Qualität der Droge und somit ein risikoärmerer Konsum gewährleistet werden, denn vieles von dem, was auf dem Schwarzmarkt angeboten wird, ist durch gesundheitsschädigende Substanzen wie u. a. Glassplitter, Haarspray oder Blei verunreinigt. Am besten ist selbstverständlich aber der komplette Verzicht auf den Konsum.


Ein weiteres Pro-Argument bildet das sogenannte Drug Checking, das ebenfalls im Koalitionsvertrag erwähnt wird. In einigen Nachbarländern, wie zum Beispiel in Österreich, ist es bereits ein etablierter Bestandteil der Drogenpolitik. Hierbei wird die Analyse illegaler Drogen auf giftige Substanzen ermöglicht, was konkret bedeutet, dass auch illegal erworbenes Cannabis auf seine „Sauberkeit“ getestet werden kann. So kann sichergestellt werden, dass die Drogen keine noch gefährlicheren Partikel beinhalten, die eventuell zu Gesundheitsschäden oder einer Überdosis führen. Im Zuge einer Legalisierung ist auch geplant, dass Aufklärungsangebote ausgebaut werden. Dadurch soll der Versuch unternommen werden, dass weiterhin möglichst Wenige zum Konsum verleitet werden.


Auch wenn die Koalition damit rechnet, dass durch die Legalisierung ein besserer Gesundheitsschutz geschaffen wird, da legales Cannabis nicht durch gesundheitsschädigende Substanzen verunreinigt wird, ist die Pflanze von Natur aus gesundheitsschädigend. Dass der Rauch die Lunge angreift, vor allem wenn der Joint mit Tabak gestreckt wird, ist wohl für niemanden neu. Bekannte von mir sagen deshalb, dass Edibles, also beispielsweise Brownies, die high machen, im Körper absolut keinen Schaden anrichten. So ganz stimmt das aber nicht. Einer wissenschaftlichen Bestandsaufnahme des Bundesministeriums für Gesundheit zufolge erhöht regelmäßiger Konsum das Risiko für Psychosen, vor allem bei jungen Menschen - unabhängig von der Art der Einnahme. Das liegt daran, dass manche Teile des Gehirns erst mit Mitte 20 vollständig entwickelt sind. Wer vorher viel kifft, kann damit das Gehirn irreversibel schädigen. Fakt ist also: Cannabis ist eine Droge und kann vor allem im Jugendalter großen Schaden anrichten. Diese Tatsache bildet daher das wohl größte Argument der Kritiker.


Ob man nun mehr Vorteile oder Nachteile in der Legalisierung sieht; sie steht im Koalitionsvertrag. Die Regierung will die Folgen des neuen Gesetzes vier Jahre nach seiner Einführung reflektieren und basierend auf diesen Ergebnissen eventuelle Änderungen vornehmen. Ein wichtiger Bestandteil des Gesetzes sollen Modellprojekte werden. Damit sind zum Beispiel lizenzierte Coffeeshops gemeint, wie es sie in den Niederlanden gibt. Dort könnte man dann unter anderem vorgebaute Joints, aber auch Edibles, wie Kekse oder Kuchen, kaufen. Als geeigneter Ort für so ein Modellprojekt kommt in Hamburg vor allem die Sternschanze in Frage, denn Kiffen, auch in der Öffentlichkeit, ist hier schon seit längerer Zeit verbreitet. Schon 2015 haben verschiedene Politiker*innen hier versucht, ein Modellprojekt zu starten, um die Dealerszene des Schanzen- und Floraparks einzudämmen und Anwohner*innen zu schützen. Dieses wurde allerdings von der damaligen rot-grünen Koalition in Hamburg abgelehnt, wobei die GRÜNEN sich explizit für das Vorhaben ausgesprochen hatten.


Wann genau das sogenannte Cannabiskontrollgesetz (CannKG) eingeführt wird, ist aber noch unklar, denn es steht nicht auf Platz 1 der Prioritätenliste. Was sich wann und wo auch in Hamburg verändert, bleibt also erst einmal offen. Auf der nächsten Seite kannst du lesen, wie welche Partei der Hamburgischen Bürgerschaft zum Thema steht!






Quellen

  • Drucksache 19/819 (20.2.2018) ,,Gesetzentwurf eines Cannabiskontrollgesetzes“, online unter: kripoz.de, zuletzt aufgerufen: April 2022.

  • Aktueller Koalitionsvertrag, Seite 87, abrufbar unter: https://cms.gruene.de/uploads/documents/Koalitionsvertrag-SPD-GRUENE-FDP-2021-2025.pdf

  • Bundeskriminalamt, Rauschgiftjahresbericht Bundesrepublik Deutschland, 2002 und Deutsche Beobachuntgsstelle für Drogen und Drogensucht, Jahresberichte ab 2015, Workbook Drogenmärkte und Kriminalität


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