Aus einem Luftschutzbunker in Altona wird ein Leuchtturmprojekt für Hamburg: Bei KEBAP treffen Klimaschutz, Kultur und Nachbarschaft aufeinander. Erfahre, wie der KulturEnergieBunker vom Widerstand gegen eine Fernwärmetrasse zur Hoffnungsträgerin für nachhaltige Energie und gemeinschaftliches Leben wurde, warum das Projekt weit über die Stadtgrenzen hinausstrahlt und es sich lohnen kann, im eigenen Stadtteil Initiative zu ergreifen.
Ich spaziere mal wieder durch Altona. Immer wieder freue ich mich, wie grün mein Stadtteil ist. Da fällt mir am Anfang der Schomburgstraße ein bunt bemaltes Gebäude auf. Davor sind viele Hochbeete platziert, der Boden ist erdig. Ein Wohnwagen mit dem Schriftzug „KEBAP“ ist neben den Hochbeeten an der Straße geparkt. Während ich vom türkischen Gericht träume, lese ich, wofür die Abkürzung steht: „KulturEnergieBunkerAltonaProjekt“ – die Neugier packt mich, ab in den Browser und los geht die Suche.Schnell merke ich bei meiner Recherche: Das Projekt ist gar nicht so einfach in Worte zu fassen, so vielfältig ist es. KEBAP gibt es schon seit 2010. Ursprünglich entstand es aus einer Demonstration gegen die „Moorburgtrasse“, die das Energieunternehmen Vattenfall durch St. Pauli und Altona ziehen wollte. Damit sollten die beiden Stadtteile mit Fernwärme versorgt werden.
Ich will mehr wissen und verabrede mich mit Ralph Musielski und Nathalie Plato aus dem Vorstandsteam. Ralph erzählt von „Demonstrationstagen, -nächten und -wochen”, in denen sich der Protest geformt hat. Denn der Bau der Trasse hätte erhebliche Einschnitte für die Bewohner:innen bedeutet, wie zum Beispiel ein Verlust von Grünflächen und durch den Bau Lärmbelästigung, und wäre außerdem mit massivem CO2-Ausstoß verbunden gewesen. Die Trasse wurde verhindert, der Protest der Bürger:innen wirkte also. Ralph nennt die Demonstrant:innen von 2010 die „Urgesteine" des Vereins.
Aber es blieb nicht bei einem Protest gegen die Moorburgtrasse. Nathalie berichtet im Gespräch von einer interessanten Weiterentwicklung: „Man kann ja auch für etwas sein, nicht nur gegen eine bestimmte Form der Energieproduktion.“ Denn die Demonstrant:innen hatten durch den Protest die Idee, alternative Wege der Energieerzeugung für Altona aufzuzeigen. Doch wo sollte diese stattfinden? Welche Flächen sind dafür geeignet? Nach einigen Überlegungen fiel die Wahl auf den Luftschutzbunker am Anfang der Schomburgstraße. Die Idee, die damit zusammenhing: Ein Nahwärmenetz für das Quartier. Und während weitere Pläne zur alternativen Energieversorgung geschmiedet wurden, kam eine Idee auf: Energie mit Kultur zu verknüpfen.
Energie und Kultur – das soll hier also zusammen gefördert werden. Der Bunker in der Schomburgstraße wird zum einen für kulturelle Begegnungen und zum anderen für eine nachhaltige Energieversorgung genutzt. Und damit nicht genug. Die Freiwilligen bauten Hochbeete vor dem Bunker, das Urban Gardening war geboren. Finanzierungspläne wurden über die Jahre aufgestellt, die Politik, der Bezirk und natürlich die Anwohner:innen wurden in den gesamten Prozess mit einbezogen. Im Jahr 2020 konnte das Projektteam den Luftschutzbunker von der Stadt kaufen – mit der Bedingung, den Bunker sozioökonomisch zu nutzen. Der kulturelle Aspekt wurde dadurch noch fester verankert und der Grundgedanke blieb: klimafreundliche Energie und Räume zum Austauschen, kreativ sein oder einfach zum Zusammenkommen. KEBAP setzt auf ein Bedürfnis, das viele Menschen in Zeiten von Überkonsum haben: auf den Wunsch nach nicht kommerziellen und gemeinschaftlich nutzbaren Räumen. Dadurch wird dem Projekt Leben eingehaucht. Ralph bringt es auf den Punkt: „Es ist nicht mein Bunker, auch nicht deiner, es ist unser aller Bunker.” Dadurch erreicht KEBAP nicht nur Erwachsene. Mittlerweile gibt es Kooperationen mit Schulen und Kitas. Denn Kinder können im KulturEnergieBunker im Rahmen von Workshops spielerisch die Flora und Fauna der Stadt kennenlernen und so Bewusstsein für ihre Umwelt entwickeln.
Die Nachfrage ist hoch. Ralph und Nathalie erzählen, dass der kulturelle Teil des Projekts boomt. Beispielsweise gibt es bereits einen großen Multifunktionsraum, in dem schon vielfältige Ausstellungen und Veranstaltungen stattfanden. Außerdem wünschen sich Anwohner:innen Gemeinschaftswerkstätten: von der Koch- bis zur Näh- und Holzwerkstatt sind der Kreativität keine Grenzen gesetzt. Das gemeinsame Gärtnern steht aber im Vordergrund, es gibt sogar eine eigene Saatgutbank. Und dann erzählt Nathalie vom Highlight des Bunkers: „Das soll die Klammer des ganzen Projekts werden: Ein Dachgarten. [...] Ein bisschen Luxus für alle.“
Wie gefragt das Projekt ist, erfahre ich noch während unseres Interviews, als plötzlich eine Frau auf dem Fahrrad vorbeifährt und fragt, ob es denn noch Eier aus der Gemeinschaftsküche gibt.
Okay, aber wie wird jetzt hier Energie erzeugt? „Bald wird es Photovoltaik und Luftwärmepumpen geben. [...] Außerdem gibt es bald Probebohrungen für das Projekt Grundwasserwärme. Es ist eine sehr dynamische Lage, vor allem beim Energieteil“, erzählt Nathalie. Die Finanzierung erfolgt über die zugehörige Genossenschaft Kega. Dabei sind die Kega e. G. und der Verein KEBAP e. V. zwei unterschiedliche Teile des Projekts, die aber eng zusammenarbeiten. Die Kega e.G. ist die unternehmerische Seite und betreibt das Unternehmen KulturEnergieBunker. Der KEBAP e. V. ist für die Organisation vor Ort zuständig. Der Verein organisiert beispielsweise das Urban Gardening und das Kulturprogramm. Der Vorteil dabei ist, dass KEBAP e. V. wegen seiner Organisationsform auf ganz andere Fördermöglichkeiten als die Genossenschaft zurückgreifen kann. Die beiden Teile arbeiten eng zusammen, beispielsweise entsendet der Verein immer ein Mitglied in den Vorstand der Genossenschaft, um dort den Verein zu vertreten. Damit soll verhindert werden, dass sich ein Teil verselbstständigt und das Projekt auseinanderbricht.
Eine super Idee, denke ich mir. Aber läuft immer alles glatt? Ralph und Nathalie erzählen von zwei Problemen, die sich unter einem Begriff zusammenfassen lassen: Ressourcen. Denn zum einen nennt Ralph die immer wieder auszutragenden Kämpfe um Finanzierung als Herausforderung. Beispielsweise hat der Finanzsenator 2021 540.000 Euro Planungskosten für KEBAP versprochen. Im April 2024 wartet der Vorstand immer noch auf die versprochene Summe. Und zum anderen ist die Überlastung von freiwilligen Kräften ein großes Problem: Diejenigen, die bereits am Projekt beteiligt sind, sollen nicht mit Aufgaben überhäuft werden. Auch Nathalie und Ralph arbeiten zusätzlich zu ihrem „Hauptjob“ am und im Kulturbunker.
Aber trotz der vielen Herausforderungen gibt KEBAP Nathalie viel: „Für mich hat das Projekt immer viel Zuversicht ausgestrahlt. Und der Bunker hat Strahlkraft. Im Wald gegenüber haben wir neue Nachbarn bekommen, nämlich einen Tiny Forest. So etwas zieht sich gegenseitig an.“ Was sind Erkenntnisse, die beide über die Jahre hinweg hatten? „Man braucht wirklich einen langen Atem und Geduld.“ Denn KEBAP möchte jede:n in Altona erreichen, auch etwa wohnungslose Menschen. Wichtig für Ralph ist dabei, innezuhalten und sich zu fragen: Was haben wir schon erreicht, wo möchten wir noch hin?
Ich verabschiede mich für den Moment, mache mich auf den Weg nach Hause und laufe die Schomburgstarße zurück mit KEBAP im Rücken. Das Projekt zeigt auf eindrucksvolle Weise, wie eine kreative Mischung aus Klimaschutz, Kultur und Nachbarschaft funktionieren kann. Aus einem ehemaligen Luftschutzbunker wird ein lebendiger Ort, an dem erneuerbare Energie und Gemeinschaft im Mittelpunkt stehen. KEBAP beweist, dass man mit Engagement und Ausdauer viel erreichen kann – auch wenn der Weg manchmal herausfordernd ist, etwa durch finanzielle Hürden oder knappe personelle Ressourcen. Das Projekt ist nicht nur ein Gewinn für Altona, sondern auch ein inspirierendes Beispiel dafür, wie man in der eigenen Nachbarschaft etwas bewegen kann. Es verdeutlicht, dass lokale Initiativen positiven Wandel schaffen können, sei es durch nachhaltige Energie, gemeinschaftliches Gärtnern oder kulturelle Veranstaltungen. KEBAP ist ein lebendiges Modell, wie Stadtentwicklung gemeinschaftlich und zukunftsorientiert gestaltet werden kann – praxisnah, offen und voller Potenzial.
Allen Widerständen zum Trotz herrscht hier Mut: Mut zur Veränderung der Formen, in denen wir leben, seien sie kulturell oder wirtschaftlich; Mut zu einer Energiewende, die im Lokalen anfängt und so die Menschen mitreißt. Mut zum Zusammenhalten in einer Nachbarschaft, die divers ist und sich auf Zuversicht verständigt.
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Gegenstrom.13 (Jahr unbekannt): Moorburgtrasse - Erfolgreicher Protest gegen die Fernwärmetrasse durch St.Pauli und Altona, online gegenstrom13.de [07.09.2024].
Kebap (KulturEnergieBunkerAltonaProjekt (2024): Was wir wollen, online kulturenergiebunker.de [07.09.2024].
Kebap (KulturEnergieBunkerAltonaProjekt (2024): Wer wir sind, online kulturenergiebunker.de [07.09.2024].
Krause, Katy (19.04.2024): Bunker in Altona: Wie Bürokratie ein Millionenprojekt verzögert, Hamburger Abendblatt, online abendblatt.de07.09.2024].
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