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„Man kann hinfallen, aber man muss auch aufstehen“: Unternehmer und Stifter Michael Otto über Verantwortung, Neugier und warum Angst kein guter Ratgeber ist

Prof. Dr. Michael Otto gehört zu den prägendsten Unternehmerpersönlichkeiten Deutschlands. Nach der Flucht seiner Familie aus Westpreußen kam er als Kind nach Hamburg, wo sein Vater Werner Otto mit einem kleinen Versandhandel den Grundstein für den heutigen Otto-Konzern legte. Michael Otto führte das Familienunternehmen später zu einem internationalen Handels- und Dienstleistungskonzern – und prägte es durch seine Haltung zu Nachhaltigkeit, Verantwortung und gesellschaftlichem Engagement. Im 2023 erschienenen Buch „Das Michael Otto Prinzip“ fasst Michael Otto seine unternehmerischen und gesellschaftlichen Leitprinzipien zusammen – von Verantwortung und Nachhaltigkeit über Innovationsgeist bis hin zu globalem Denken. Im Gespräch mit GENZ zeigt sich der 82-Jährige als neugieriger Denker, der weit über ökonomische Fragen hinausblickt. „Ich bin ja nicht als Milliardär geboren worden“, sagt Otto. „Wir hatten ein Plumpsklo auf dem Hof – und in der Waschküche wurde noch per Hand gewaschen.“ 

Ein Gespräch über Mut, Sicherheit, Milliardärsklischees – und die Haltung eines Mannes, der sagt: „Wer permanent Angst hat, der stirbt tausend Tode, und wer keine Angst hat, stirbt nur einen.“

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Alex Frieling: Herr Otto, wenn man sich einen Milliardär vorstellt, denkt man oft an einen Menschen, der Urlaub in Villen oder auf Yachten macht, gegen Steuererhöhungen ist und einen hohen CO2-Fußabdruck hat. Sehen Sie sich in irgendeinem dieser Punkte wieder?


Prof. Dr. Michael Otto: Nein, da finde ich mich nicht wieder, denn ich bin ja nicht als Milliardär geboren worden und lebe keines dieser Klischees. Im Grunde sind wir nach dem Krieg, nach der Flucht, von Westpreußen nach Hamburg gekommen. Die ersten Jahre sind wir erstmal in einer Zweizimmerwohnung aufgewachsen, mit einem Plumpsklo auf dem Hof, ohne Badezimmer und da wurde in der Waschküche noch per Hand gewaschen, also von daher kenne ich auch die andere Seite. Das Ganze war eine schrittweise Entwicklung und ich habe während meines Volkswirtschaft-Studiums schon versucht, mich finanziell unabhängig zu machen, weil ich es wichtig fand, von meinem Vater unabhängig zu sein und auf eigenen Beinen zu stehen. Dass sich das Unternehmen dann gut entwickelt hat und ich dazu beitragen konnte, ist natürlich sehr erfreulich. Deshalb würde ich mich aber mit solchen Ausdrücken oder solchen Klischees nicht identifizieren.


Alex Frieling: Sie engagieren sich in großer Vielfalt in unterschiedlichen Bereichen – von Bildungs- und Ausbildungsinitiativen über soziale Projekte bis hin zu Ihrem langjährigen Einsatz für Klima- und Umweltschutz, etwa durch die Michael Otto Umweltstiftung. Gleichzeitig prägen Sie mit Ihrem Unternehmertum sowie Ihrem Blick auf wirtschaftliche und politische Entwicklungen seit Jahrzehnten wichtige Debatten. Wie würden Sie sich selbst als Mensch – Michael Otto – beschreiben?


Prof. Dr. Michael Otto: Ich würde mich als Unternehmer beschreiben, und als jemand, der immer neugierig ist. Ich interessiere mich eigentlich für alle Bereiche des Lebens und meine Frau sagt manchmal: „Also, musst du das denn auch schon wieder machen?“ (lacht) Aber mich interessieren so viele Dinge und ich sehe, dass ich etwas Positives bewirken kann. Wenn ich etwas dazu beitragen kann, Dinge zu verbessern, dann habe ich auch eine Verantwortung, denn nicht alle haben die Möglichkeit in diesem Umfang. Ich halte es aber für ganz wichtig, dass sich jede Bürgerin und jeder Bürger im Rahmen ihrer oder seiner Möglichkeiten für die Gesellschaft einsetzt. Ich habe natürlich mehr Möglichkeiten und habe daher auch mehr Verantwortung.


Alex Frieling: Wie viele Stunden schläft ein Michael Otto eigentlich pro Nacht, wenn er so viele Dinge hat, die ihn antreiben?


Prof. Dr. Michael Otto: (Lacht) So sechs bis sieben Stunden. Das reicht mir auch.


Alex Frieling: In Ihrem Buch schreiben Sie, Sie seien ein Mensch, der immer positiv denkt. Sie nennen es die Macht des positiven Denkens. An junge Menschen gerichtet – wie entwickelt man so eine Grundhaltung? Haben Sie die schon seit der Kindheit, durch Ihr Unternehmertum bekommen, durch den beruflichen Erfolg oder wie haben Sie sich so eine Denkweise zu eigen gemacht?


"Man muss Kindern und Jugendlichen alle Chancen ermöglichen"


Prof. Dr. Michael Otto: Ich habe andere Menschen in unterschiedlichen Bereichen beobachtet, ob sie nun in der Wissenschaft, in der Medizin oder im Unternehmertum waren, die schwere Wege hinter sich hatten und trotzdem positiv vorangegangen sind – und dann riesigen Erfolg hatten. Das heißt, dass man durch die innere Einstellung schon ungeheuer viel bewegen kann. Ich sage immer: Man kann hinfallen, aber man muss auch wieder aufstehen. Das ist wichtig. Wenn man positiv denkt, dann sieht man nicht die Probleme, man sieht die Chancen. Probleme sind da, um gelöst zu werden. Mit dieser Einstellung ins Leben zu gehen, ist wichtig. Dann wird man Herausforderungen lösen und viel erreichen können, das habe ich auch bei mir selbst gemerkt.


Alex Frieling: Sehen Sie bei Ihnen selbst eine Verantwortung jungen Menschen gegenüber?


Prof. Dr. Michael Otto: Ja, ich finde es ganz wichtig, dass man gerade Kindern und Jugendlichen alle Chancen ermöglicht – auch ganz individuell: Damit sie ein selbstbestimmtes und glückliches Leben führen können. Deswegen haben wir eine ganze Reihe von Jugendprojekten gestartet, ob es im Musikbereich ist, wo wir an Schulen Kinder und Jugendliche in Chormodulen unterrichten, Instrumentalunterricht geben oder ermöglichen, in einem Jugendorchester zu spielen. Da haben insgesamt schon über 10.000 Jugendliche an diesem Programm teilgenommen. Aber auch andere Jugendprojekte, im Umweltbereich zum Beispiel. Über die von mir gegründete Umweltstiftung Michael Otto schützen, erhalten und erneuern wir die Natur und bringen Menschen Themen wie Wasser, Biodiversität und Klimaschutz praktisch näher.


Prof. Dr. Michael Otto sprach mit GENZ auch über Optimismus und die außenpolitische Weltlage.
Prof. Dr. Michael Otto sprach mit GENZ auch über Optimismus und die außenpolitische Weltlage.

Alex Frieling: Sie schreiben in Ihrem Buch, dass Angst im Allgemeinen kein guter Ratgeber sei. Jetzt gibt es einige politische Entwicklungen, die vielen jungen Menschen Sorgen bereiten – was würden Sie sagen, wie bleibt man trotzdem optimistisch?


Prof. Dr. Michael Otto: Ich glaube, das positive Denken ist ganz wichtig, weil man nur dann auch die Bereitschaft und die Kraft hat, Dinge zu ändern und positiv einzuwirken. Wenn man pessimistisch ist und sagt: „Das hat sowieso keinen Zweck!“ – dann handelt man nicht. Und das wäre doch traurig. Deswegen bin ich der Meinung, es ist ganz wichtig, dass möglichst viele Menschen sagen: „Wir haben Vorstellungen, wie es optimal sein müsste, wir lassen uns nicht entmutigen, wir arbeiten darauf hin und wir geben unseren Beitrag dazu!“ Deswegen finde ich Optimismus notwendig, auch in schwierigen Phasen. Vor allen Dingen ist es wichtig, dass man nicht immer Angst vor den schlimmsten Entwicklungen hat. Es gibt ja ein Sprichwort: Wer permanent Angst hat, der stirbt tausend Tode und wer keine Angst hat, stirbt nur einen Tod. Und das ist es. Wenn man zum Beispiel permanent denkt: Wann werden wir angegriffen? Wann wird Russland so stark sein und einmarschieren? Dann ist man in seinem Leben gelähmt. Deshalb muss man sagen: Wir sehen, es ist ein Risiko da, also müssen wir handeln, dass die Abschreckung so groß ist, dass Russland nicht einmarschieren wird und das sind die entsprechenden Maßnahmen.


"Fridays for Future hat gezeigt, wie viel junge Menschen bewegen können"


Alex Frieling: Sie engagieren sich sehr viel für Klimaschutz. Was würden Sie jungen Menschen mitgeben, die gar nicht wirklich wissen, wie sie zum Klimaschutz beitragen können? Sie äußerten sich auch zur Fridays for Future Bewegung positiv.


Prof. Dr. Michael Otto: Fridays for Future hat gezeigt, wie viel junge Menschen beim Klimaschutz bewegen können. Denn im Grunde hatten wir bei allen Regierungen in Deutschland kein Erkenntnis-, sondern ein Handlungsdefizit. Als Fridays for Future demonstriert hat, erkannte die Regierung plötzlich: „Mensch, das sind ja unsere zukünftigen Wählerinnen und Wähler, da müssen wir ja doch etwas tun!“ Das hat dazu geführt, dass in der Regierung gehandelt wurde. Durch solche Aktionen können junge Menschen wirksam werden. Aber auch beim eigenen Lebensstil sollte man überlegen, wie man Rücksicht auf das Klima nehmen kann. Das müssen nicht unbedingt riesige Einschränkungen sein! Man kann viele Dinge trotzdem ändern und dazu beitragen, den CO2-Ausstoß zu reduzieren. Das fängt bei so simplen Dingen an, wie das das Licht auszuschalten, wenn man das Zimmer verlässt. Man kann auch Solaranlagen auf dem Balkon installieren, die dazu noch wirtschaftlich sind, und in der Summe ist es gewaltig, was das für eine Wirkung haben kann! Dann müssen wir fort von der Wegwerfgesellschaft, also lieber langlebige Produkte kaufen.


Alex Frieling: In zwei Sätzen zum Abschluss: Was geben Sie jungen Menschen mit, die sich um Ihre Sicherheit sorgen?


Prof. Dr. Michael Otto: Ich würde sagen: Sorgt euch nicht zu viel, habt weniger Angst vor der Zukunft, sondern gestaltet die Zukunft! Setzt euch dafür ein, dass sich die Zukunft so entwickelt, wie ihr sie haben möchtet und jeder und jede kann einen Beitrag dazu liefern!

 
 
 

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