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Schwarze Menschen sind kein Monolith

Es sind die Präsidentschaftswahlen 2020 in den USA, bei denen Donald Trump gegen Joe Biden kandidiert. Verwirrt sind viele US-Amerikaner*innen als der Schwarze Rapper Kanye West seinen Support gegenüber dem republikanischen Kandidaten Donald Trump zeigt – weil West ja Schwarz ist und Schwarze Menschen alle Demokraten sein müssten.


Er herrscht beispielsweise ein Narrativ, dass alle Schwarzen Fähigkeiten im Bereich der Musik oder des Sports im „Blut“ hätten. Stellt euch eine Welt vor, in der ihr statt „Black music“ „white music“ sagen würdet oder statt „alle Schwarzen können gut tanzen und singen“, „alle weißen können gut tanzen und singen“. Spätestens dann fällt auf, wie absurd Generalisierungen sind. Schwarze Menschen werden im Alltag und strukturell oft zu einer homogenen Gruppe konstruiert. Ihnen werden gleiche Denkarten, gleiche Handlungsweisen und gleiche Fähigkeiten zugeschrieben. Spoiler vorab: Natürlich ist hierbei Vorsicht geboten. Aus einer einzelnen Erfahrung oder Beobachtungen eines Phänomens heraus kommt es dann zu vorschnellen Verallgemeinerungen. Diese verfälschen ebenso schnell den Sinn einer Aussage, da sie heterogene Gruppen stark verdichten und alle über einen Kamm scheren.


Im US-amerikanischen Raum ist die Kritik seitens Schwarzer Menschen gegenüber ihrer gesellschaftlichen Homogenisierung von Nicht-Schwarzen Menschen unter dem Statement: „Black people are not a monolith“ medial bekannt. Der abwertende und im soziologischen Kontext verwendete Begriff „Monolith“ beschreibt dabei eine homogene Gruppe. Pointiert artikuliert der Schwarze Schauspieler Daniel Kaluuya zum Beispiel, dass er zwar Schwarz, aber auch dennoch ein Individuum sei.


Die Homogenisierung Schwarzer Menschen ist dabei keinesweges neu, sondern durch das Konzept des Othering Teil der rassistischen Ideologie gewesen. Der Begriff „Othering“ bringt im Kontext des Rassismus die Andersmachung von unter anderem Nicht-weißen Menschen zum Ausdruck, welcher vor allem während der europäischen Kolonialexpansion vollzogen wurde. Um zum Beispiel die konstruierte weiße „Rasse“ hervorzuheben, wurden angeblich minderwertige Menschengruppierungen aufgrund vermeintlich oder tatsächlicher phänotypischer und/oder kultureller Zuschreibung als „anders“ konstruiert. Die weiße „Rasse“ stellt der rassistischen Ideologie zufolge eine Norm dar. Dies drückt auch der Begriff „white supremacy“ aus. Wir erleben damit dann jenes, was wir oben schon festgehalten haben: Meist wird alles, was nicht weiß ist, schnell homogenisiert. Dadurch entstehen aber auch eben jene Attribute des „Anderssein“ oder auch „Fremdsein“.


Beispiele dazu zeigen sich im Alltag, wenn etwa in Medien von Afrika gesprochen wird, als ob es sich bei dem Kontinent um ein einziges Land handeln würde. Als beispielsweise die Omikron-Variante von COVID-19 auftauchte und sich zu Beginn rasch in Südafrika ausbreitete, berichteten einige Medien schnell von einer Afrika-Variante. Dieses Porträt ist meistens von einem Bild gefolgt, welches das sogenannte Afrika als unzivilisiert, schlecht organisiert und von Hungersnöten definiert darstellt. Auf dem Kontinent Afrika herrschen durchaus Hungersnöte, es leben auch Menschen in Hütten und es existieren auch failed states – aber nicht ausschließlich. Wir müssen nur aus dem Fenster schauen und sehen auch in Europa hungernde Menschen, schlechte Infrastrukturen und eine Vielzahl anderer Probleme.


„Sprichst Du afrikanisch?“

Eine Frage, mit der viele Schwarze Menschen im Alltag konfrontiert sind, ist bspw. die Frage: „Sprichst Du Afrikanisch?“. Die Schriftstellerin Faith Farai nähert sich in ihrem neuen Buch „Pretty for a black girl is not a compliment!“ (2022) der Frage poetisch an, indem sie schreibt:



‘no, I cannot speak african’

respectfully X. von Faith Farai

Das einzeilige Gedicht zeigt ein Lyrisches Ich, das offenbar auf diese Frage antwortet mit: „Nein, ich kann kein afrikanisch sprechen“. Das Lyrische Ich erklärt nicht, weshalb es nicht „Afrikanisch“ spricht und beschreibt somit die Situation vieler Schwarzer Menschen, die es anstrengend finden, jedes Mal aufs Neue zu erklären, warum sie nicht „afrikanisch“ sprechen. Auch die Kursivsetzung des Wortes „african“ markiert die pure Absurdität der Frage. Afrikanisch ist insofern absurd, da Afrika ein Kontinent ist. Weiße Menschen würden auch nicht fragen, ob man europäisch spreche, denn es herrscht ein Bewusstsein dafür, dass Europa aus mehreren Staaten mit unterschiedlichen Amtssprachen besteht. Das gleiche gilt auch für den Kontinent Afrika – und sogar darüber hinaus. In Afrika gibt es fast ausschließlich sogenannte Vielvölkerstaaten, sodass man davon ausgehen kann, dass neben Amtssprachen viele andere ethnisch zugewiesenen Sprachen gesprochen werden.

Außerdem sind nicht alle Schwarze Menschen von einem subsaharisch-afrikanischen Staat migriert. Die sogenannte Abstammung aller Schwarzer Menschen ist subsaharisch-afrikanisch, jedoch mussten auch viele Schwarze Menschen aufgrund des Sklavenhandels im nord-, mittel und südamerikanischen Raum sesshaft werden.


Durch die Vereinheitlichung Schwarzer Menschen fördert Othering Rassimus

Die Homogenisierung von Schwarzen Menschen hat überdies zur Folge, dass Rassismusdebatten aus Nicht-Schwarzer Perspektive als einheitlich betrachtet werden. Es entsteht der Anschein, dass Schwarze Menschen zu Rassismus betreffenden Debatten kollektiv die gleiche Meinung vertreten. Meistens reicht es schon, wenn sich nur eine Schwarze Person in einer Talkshow zu diesem Thema äußert, denn ihre Aussagen werden direkt für alle Schwarzen Menschen verallgemeinert.


Diese homogenisierende Betrachtung führt dazu, dass Diskurse unter Schwarzen Menschen weniger divers beleuchtet werden und ein falsches Bild an Nicht-Schwarze Menschen herangetragen wird. Rassismuserfahrungen können sich dabei mit Hinblick auf weitere Diskriminierungskategorien, wie etwa Geschlecht, Hautton, religiöse Zugehörigkeit, soziale Herkunft, aber auch Wohnort unterscheiden (auch unter dem Begriff „Intersektionalität“ bekannt“).

Wir sehen: Auch Schwarze Menschen können unterschiedliche Meinungen zu rassismusrelevanten Fragen haben und sind alles andere als ein Monolith.



Quellen

Aikins, Muna AnNisa / Bremberger, Teresa / Aikins, Joshua Kwesi / Gyamerah, Daniel / Yıldırım-Caliman, Deniz (2021): Afrozensus 2020. Perspektiven, Anti-Schwarze Rassismuserfahrungen und Engagement Schwarzer, afrikanischer und afrodiasporischer Menschen in Deutschland. Berlin, unterhttps://afrozensus.de/reports/2020/Afrozensus-2020.pdf [gesehen 04.04.2022].


Haeming, Anne (2021): Begreift endlich, wie pauschal ihr Afrika stigmatisiert!, unter https://uebermedien.de/65612/begreift-endlich-wie-pauschal-ihr-afrika-stigmatisiert/ [03.04.2021].


Hoeder, Ciani-Sophia (2020): Heller Wahnsinn!, unter https://sz-magazin.sueddeutsche.de/willkommen-bei-mir/rassismus-colorism-89016 [gesehen: 03.04.2022].


Marmer, Elina (2013): Rassismus in deutschen Schulbüchern am Beispiel von Afrikabildern. In: Zeitschrift für internationale Bildungsforschung und Entwicklungspädagogik 36/2, S. 25-31.


Moniuszko, Sara (2020): Kanye West on supporting Trump: 'I’m a black guy with a red (MAGA) hat, can you imagine?', unter https://eu.usatoday.com/story/entertainment/celebrities/2020/03/25/kanye-west-supporting-trump-how-race-and-assumptions-play-part/5077806002/ [gesehen: 06.04.2022].


Phillip, Joel (2020): Daniel Kaluuya Reminds Us That Blackness Is Not A Monolith, ‘I’m just Daniel, who happens to be black.’, unter https://medium.com/@blackstewnews/daniel-kaluuya-reminds-us-that-blackness-is-not-a-monolith-ea8e7325c6bf [gesehen: 03.04.2022].


Simon, Nina / Fereidooni, Karim (2020): Rassismus(kritik) und Fachdidaktiken – (K)ein Zu-sammenhang? – Einleitende Gedanken. In: Simon, Nina / Fereidooni, Karim (Hg.). Rassismuskritische Fachdidaktiken. Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden 2020, S. 1–17.




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