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10 in 10 – Zehn Fragen in zehn Minuten.

Heute mit: Staatsrätin und Bevollmächtigte der Freien und Hansestadt Hamburg beim Bund, der Europäischen Union und für auswärtige Angelegenheiten Almut Möller.


Anne Sonnenfroh für GENZ: Das Thema des Tags der Deutschen Einheit 2023 in Hamburg ist „Horizonte öffnen“. Wie will sich Hamburg dem Bund präsentieren?


Almut Möller, Staatsrätin und Bevollmächtigte der Freien und Hansestadt Hamburg beim Bund, der Europäischen Union und für auswärtige Angelegenheiten: Gerade in diesem Jahr, 33 Jahre Deutsche Einheit, aber auch in einer Zeit, in der sich viele Menschen – vielleicht auch junge – fragen „wie geht es eigentlich weiter?“ und in dem wir viele große Themen haben, die wir bewältigen müssen, haben wir uns überlegt, dass wir ein Fest feiern möchten, das zuversichtlich auf die Zukunft schaut und Horizonte öffnet. Wir sind eine Stadt, die gerne die Botschaft senden möchte, dass wir vielfältig und international sind, nachhaltig arbeiten und auf Fortschritt setzen. Das sind Themen, die wir bespielen wollen. Insgesamt soll eine Stimmung entstehen, die ernste Probleme nicht weg redet, sondern darauf setzt, dass wir im Miteinander Kraft schöpfen.


Welche Bedeutung hat denn die Deutsche Einheit für Ihre Arbeit als Staatsrätin und vielleicht sogar auch mehr für Ihre Position als Bevollmächtigte der Freien und Hansestadt Hamburg beim Bund, der Europäischen Union und für Auswärtige Angelegenheiten?


Es ist ja so, dass wir als 16 Länder schon ziemlich lange zusammenarbeiten und vereint sind. Deswegen ist das vordergründig nicht ständig Thema bei mir. Natürlich ist jedes Jahr der Tag der Deutschen Einheit für den Bundesrat sehr wichtig. Dieses Jahr haben wir die Ehre, ihn ausrichten zu dürfen. Aber das passiert jedes Jahr an einer anderen Stelle in Deutschland. Wir merken natürlich, dass es bestimmte Themen gibt, die auch heute noch mit der Einheit zu tun haben, z. B. bestimmte Unterschiede zwischen Ost und West, und die kommen auch politisch immer wieder in Gesetzesvorhaben im Bundesrat zur Sprache. Die Länder versuchen, nach meiner Erfahrung, trotz aller politischen Unterschiede immer das Gemeinsame wiederzufinden. Das ist eine Stärke unseres Föderalismus und eine Stärke von uns 16 Ländern.


Welche Rolle spielt die Deutsche Einheit heute noch in der Beziehung zwischen Deutschland und seinen europäischen Nachbarn?


Ich glaube, wir müssen uns immer daran mit Respekt erinnern, wie viel wir unseren europäischen Nachbarn verdanken. Insbesondere in den Ländern, wo Menschen nicht nur in der damaligen DDR, aber auch in angrenzenden Ländern mutig auf die Straße gegangen sind und eigentlich dafür gesorgt haben, dass diese Wende kommen kann. Die Tatsache, dass wir als wiedervereintes Deutschland in unserer Größe in Europa wieder so gut Fuß fassen konnten, hat damit zu tun, dass man uns bei unseren europäischen Nachbarn zugetraut hat, eine gute Rolle in Europa zu spielen. Im letzten Jahrhundert und davor war das häufig nicht der Fall. Deswegen dürfen wir nie unterschätzen, was diese Geschichte und diese Erfahrung auch für die Zusammenarbeit in Europa heute noch bedeuten.


Warum ist denn der Tag der Deutschen Einheit für eine Generation, die den Mauerfall nur von Erzählungen her kennt, mehr als nur ein freier Tag zum Ausschlafen?


Ich bin Jahrgang '77 und daher nicht Generation Z und unbedingt die Richtige für diese Frage. Aber ich will sagen, was mich geprägt hat: Als Teenagerin habe ich die deutsche Einheit auf dem Bildschirm erlebt. Obwohl ich gar nicht in der Nähe, sondern eigentlich ganz weit weg vom Geschehen war, hat das meine Familie und mich so gepackt und mich dazu bewegt, mich in meinem Studium den Themen Politikwissenschaft und Geschichte zu widmen. Meine 90er-Jahre waren dann Jahre der Aufbruchsstimmung und Grenzenlosigkeit, in denen man als junger Mensch ganz viele Möglichkeiten hatte. Ich verdanke der Einheit, auch der europäischen, viel und ich frage mich, was denken eigentlich Ihre Leserinnen und Leser darüber? Viele Menschen, die Mitte der 90er-Jahre und danach geboren sind, haben andere Erfahrungen in Europa gemacht.

Staatsrätin Almut Möller im Interview zum Tag der Deutschen Einheit und Generation Z

Sie kennen die Krisenbögen: Sie kennen die sogenannte Eurokrise, die große Auseinandersetzung darüber, wer bei uns willkommen ist und wie wir sicherstellen können, dass wir Menschen, die zu uns kommen, gut aufnehmen können. Sie kennen Themen, die Sorgen bereiten – wie die Pandemie oder die Bedrohung unserer natürlichen Lebensgrundlagen. Das sind einfach andere Erfahrungen. Wenn ich einen Wunsch an die Generation Z formulieren dürfte, dann wäre das, darauf zu hoffen, dass sie sich für diese Zeit des Umbruchs damals interessieren, weil man da gesehen hat, wozu mutige, gewaltlose Menschen fähig sind und welcher Zusammenhalt entstehen kann. Dass wir uns die Kraft, das eigene Leben zu verändern, zutrauen können.


Welche Lehren sollten junge Menschen von Erzählungen ihrer Eltern und Großeltern gegenüber der deutschen Einheit ziehen?


Ich glaube, dass es immer wichtig ist, dass jede und jeder persönlich Lehren zieht. Das persönliche Erleben ist dabei das Unmittelbarste. Was wir uns, gerade im sogenannten „alten Westdeutschland“, vergegenwärtigen und nicht vergessen sollten, ist, wie fundamental diese Wende für viele Menschen in Ostdeutschland war und wie sie bis heute fortdauert. Bei allem, was sie im eigenen Land schlimm fanden, haben viele Halt verloren. Wir haben die Verantwortung, zu verstehen, dass es unterschiedliche Erfahrungen, Sichtweisen und Betroffenheit bei diesem Thema gibt. Das sollten wir uns bewahren, das ist in der Gegenwart wichtig und wird es auch in Zukunft weiter sein.


Wenn wir jetzt hier auf den Rathausmarkt blicken, wird schon für den Tag der Deutschen Einheit aufgebaut. Wie wurden junge Menschen bei der Planung des Programms inkludiert?


Wir haben uns überlegt, dass wir auch Formate schaffen, die für junge Leute interessant sind. Deswegen gibt es vorwiegend im schulischen und außerschulischen Bildungsbereich eine ganz enge Zusammenarbeit mit unserer Schulbehörde sowie mit Bildungsträgerinnen und Bildungsträgern, die nicht nur am Tag der Deutschen Einheit, sondern im Grunde das ganze Jahr über, auch zum Teil mit jungen Leuten, Formate entwickelt haben. Beim Bürgerfest wird auf dem Gänsemarkt das sogenannte „Young Future Lab“ stattfinden. Im Grunde eine große Bühne plus Areal, wo man sich bewegen und aufhalten kann und in ganz vielen, auch kontroversen Formaten die Themen der Zeit aus jungen Perspektiven heraus debattiert werden. Ich hoffe, dass wir es im Programm geschafft haben, jungen Menschen eine Stimme zu geben.


Wie werden die Ideen, Fragen und die Inhalte der Generation Z zum Thema der Deutschen Einheit über das Young Future Lab und den Tag hinaus gesichert?


Ja, das ist natürlich wichtig. Deswegen haben wir das Bürgerfest insgesamt so angelegt, dass es nicht wie ein Raumschiff in der Stadt landet und dann wieder wegfliegt, sondern dass die Einheit und die Themen, die wir behandeln wollen, möglichst nachhaltig bei uns bleiben. Daher haben wir Partnerinnen und Partner aus der gesamten Stadtgesellschaft gewonnen, die sich im Jahresverlauf um diese Themen kümmern und jetzt den Tag der Deutschen Einheit zusammen mit uns zum Anlass nehmen, mit ihren Stakeholdern und Zielgruppen ins Gespräch zu kommen. Ich glaube, dass wir gute Voraussetzungen dafür geschaffen haben, die Themen über den Tag hinaus in der Stadt zu behalten und in der Stadtgesellschaft zu bewegen. Das wäre jedenfalls mein Wunsch – schauen wir mal, wie das klappt.


Was machen Sie denn an den beiden Tagen?


Wir haben die beiden Tage ganz lange vorbereitet und ich bin jetzt total gespannt darauf, wie es am Ende aussehen wird. Ich habe die Ehre und Freude, die Bevollmächtigten der anderen Bundesländer, meine Kolleginnen und Kollegen, in Hamburg zu begrüßen. Wir haben ein gemeinsames Programm vor uns und werden auch eine Arbeitssitzung haben. Eigentlich tagen wir das Jahr über immer in Berlin, aber dieses Mal machen wir das in Hamburg. Dann schauen wir uns natürlich auch ein wenig Hamburg an – das gehört dazu! Natürlich gibt es weitere spannende Pflichttermine, an denen ich teilnehme – zum Beispiel der Festakt in der Elbphilharmonie.


Und worauf freuen sie sich besonders?


Ich freue mich besonders darauf, mich durch das Bürgerfest treiben zu lassen. Es gibt einen großen internationalen Campus am Gerhart-Hauptmann-Platz, auf dem sich ganz viele Partner aus der ganzen Welt, Konsulate, internationale Vereine, Initiativen und mehr präsentieren werden; da werde ich auf jeden Fall vorbeischauen. Ich habe die Freude, bei der Eröffnung des Young Future Labs zu sein – das finde ich auch super. Ich freue mich einfach darauf, dass wir Bühne sein dürfen, und hoffentlich Menschen sich auch wirklich freuen, dass wir dieses Fest feiern. Dass wir bei Musik und Unterhaltung in der Innenstadt merken, was für eine schöne Stadt Hamburg eigentlich ist. Bei all den schwierigen und ermüdenden Themen, die wir täglich miteinander bewegen müssen, freue ich mich darauf, Kraft aus diesen Tagen zu schöpfen.


Bei all den schwierigen und ermüdenden Themen, die wir täglich miteinander bewegen müssen, freue ich mich darauf, Kraft aus diesen Tagen zu schöpfen.

Haben Sie noch einen Veranstaltungstipp, den man nicht verpassen sollte?


Ich bin ja auch zuständig für die Bundesratsangelegenheiten und lade sehr herzlich dazu ein, beim Stand des Bundesrates auf dem Rathausmarkt vorbeizuschauen. Ich glaube, der Bundesrat ist im Vergleich zum Bundestag meistens etwas unscheinbar. Dort wird unser Erster Bürgermeister auch den Staffelstab an das nächste Bundesland übergeben, welches dann die Bundesratspräsidentschaft innehat, nämlich Mecklenburg-Vorpommern. Zudem wird es viele Gesprächsrunden und gute Unterhaltung geben. Insofern herzliche Einladung!





Fotos von: Michael Kohls

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