Als das Thema der Ausgabe stand, wusste ich sofort, dass ich aus eigener Betroffenheit heraus über das Thema Behinderungen schreiben möchte. Man muss als Mensch mit Behinderung so viel Mut aufbringen, um Dinge zu tun, die für viele Menschen normal sind. So war die Freude trotz der Uhrzeit von 07:30 Uhr groß, als ich mich im September 2024 mit dem Zug auf nach Berlin machte. Ich war mit Jürgen Dusel verabredet. Dusel ist der Beauftragte der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen in der 19. und 20. Legislaturperiode. Im Gespräch erzählt er über seine Erfahrungen und Herausforderungen als blinder Bundesbeauftragter für die Belange von Menschen mit Behinderungen sowie über die Notwendigkeit von Inklusion, Barrierefreiheit und das Empowerment von Menschen mit Behinderungen in der Gesellschaft.
Meral für GENZ: Fangen wir mal ganz am Anfang an. Wie wird man eigentlich Bundesbeauftragter für die Belange von Menschen mit Behinderungen?
Jürgen Dusel: Indem man gefragt wird. Hubertus Heil, der Bundesminister für Arbeit und Soziales, hat mich vor sechs Jahren gefragt, ob ich mir das zutrauen würde, und dann wurde ich Beauftragter. Natürlich habe ich davor schon viele andere Jobs gemacht, die mich vermutlich für diese Aufgabe qualifiziert haben. Bevor ich hier beim Bund tätig wurde, war ich der Beauftragte des Landes Brandenburg für die Belange von Menschen mit Behinderungen und habe verschiedene Positionen in der Verwaltung des Landes ausgeführt. Als dann die Frage aufkam, ob ich mir die Rolle auf Bundesebene vorstellen könnte, musste ich erstmal schlucken, habe aber zugestimmt. Bundesminister Hubertus Heil hat mich dem Bundeskabinett vorgeschlagen, und so wurde ich für die Position bestellt.
Gibt es bei Ihnen denn einen klassischen Arbeitsalltag?
Mein Terminkalender ist immer ziemlich voll, aber das ist auch okay. Die Tage sind sehr abwechslungsreich: Teilweise diskutiere ich im Büro mit Kolleginnen und Kollegen über Themen, Projekte oder Strategien. Als Bindeglied zwischen Bundesregierung und Zivilgesellschaft bin ich auch viel im Land unterwegs und spreche mit Menschen und Selbstvertretungsorganisationen, weil ich deren Expertise für meinen Job brauche. Sie sagen mir, wo es wehtut, wo der Schuh drückt. Außerdem reise ich international, weil ich es spannend finde und lernen will, wie andere Länder ähnliche Probleme lösen. Mich beschäftigt auch, wie wir gemeinsam das Thema Menschen mit Behinderungen und deren Teilhabe international voranbringen können, beispielsweise bei G7-Konferenzen. Eine ganz andere Aufgabe habe ich z. B. hier in Berlin im Kleisthaus: Im Rahmen von „Kultur im Kleisthaus“ interviewe ich Künstlerinnen und Künstler, die selbst Beeinträchtigungen haben. Es ist also eine diverse, anstrengende, aber sehr schöne Arbeit.
Mit welchen Vorhaben haben Sie dieses Amt angetreten?
Es gab ein paar Punkte: Was mir total wichtig war und was sich auch dank des Verfassungsgerichts gelohnt hat, war, dass die Wahlrechtsausschlüsse für Menschen mit Behinderungen, die unter Betreuung standen, beseitigt wurden. Es gab mehr als 80.000 Menschen in Deutschland, die gar nicht wählen durften.* Das heißt, so viele Leute hatten 2021 die Möglichkeit, an einer Bundestagswahl teilzunehmen.
*Anmerkung der Redaktion: In Deutschland galt bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Jahr 2020 das Gesetz, das Menschen mit bestimmten Arten von Behinderungen, die unter Betreuung standen, das Wahlrecht entzog.
Mir war auch wichtig, dass wir das Thema Teilhabe im Arbeitsleben voranbringen. Es gibt Unternehmen, die trotz einer Beschäftigungspflicht keinen einzigen Menschen mit Behinderungen beschäftigen, obwohl sie das müssten – 5 % der Plätze müssten besetzt werden. Ein Viertel aller Unternehmen, die beschäftigen müssten, stellen nicht mal einen einzigen Menschen mit Behinderungen ein. Daher haben wir gesagt, dass wir wollen, dass diese Unternehmen mehr Ausgleichsabgaben zahlen, und dass wir diese verdoppeln - und das ist geschehen.
Wir haben auch viel im Bereich der Assistenz im Krankenhaus gemacht und kümmern uns weiterhin stark um das Thema Gesundheit und den Zugang zum Gesundheitswesen.
Wir machen zudem etwas mit dem Deutschen Kulturrat zum Thema Zugang zu Kunst und Kultur. Ich möchte, dass im Kunst- und Kulturbereich die Situation für Menschen mit Behinderungen besser wird. Und zwar nicht nur, was den Zugang betrifft – also: Komme ich ins Museum rein, kann ich ins Theater gehen? –, sondern auch, wie es aussieht, wenn ich als Künstlerin oder Künstler arbeiten möchte. Wie sieht es aus, wenn ich Schauspielerin werden will, und an einer Schauspielschule erwarten sie aber körperliche „Fitness“? Das ist ein wichtiger Punkt. Deswegen arbeiten wir mit dem Deutschen Kulturrat zusammen, um Teilhabeempfehlungen für die Bundesregierung und den Kulturbetrieb zu erstellen. Und ansonsten möchte ich natürlich, dass wir im internationalen Bereich noch einige Dinge vorantreiben.
Aber das allergrößte Projekt zurzeit ist die Reform des Behindertengleichstellungsgesetzes, in dem auch private Anbieter verpflichtet werden sollen, ihre Güter oder Dienstleistungen barrierefrei zu gestalten. Das ist jetzt gerade in der Abstimmung in der Bundesregierung, hier haben wir sehr viel Energie investiert, damit Deutschland endlich barrierefreier wird.
Wie würden Sie die Barrierefreiheit in Deutschland aktuell bewerten?
Mangelhaft. Ich sage das deswegen, weil wir in bestimmten Bereichen zwar schon Fortschritte gemacht haben, im öffentlichen Bereich, aber es gibt nach wie vor erhebliche Defizite. Wie komme ich beispielsweise mit einem Rollstuhl ins Rathaus? Wie kann ich als Gehörloser in einer Behörde kommunizieren, wenn ich auf Gebärdensprache angewiesen bin? Und was ist, wenn ich Leichte Sprache verwenden möchte? Im Bereich der Verwaltung ist es besser geworden, aber, wo wir richtig schlecht sind, ist im privaten Bereich. Wie ist zum Beispiel der Zugang zu gynäkologischen Arztpraxen für Frauen im Rollstuhl? Auch im kulturellen Bereich ist die Situation behindernd und beschämend: Was ist, wenn ich ins Kino gehen möchte und ich als Blinder keine Audiodeskription bekomme? Oder wie sieht es aus, wenn ich im Rollstuhl in eine Kneipe will und da ist eine Stufe davor? In diesen Bereichen sind wir wirklich nicht gut und sind auch vom Fachausschuss der Vereinten Nationen dafür kritisiert worden. Letztlich geht es immer um die Umsetzung von Menschenrechten, und da müssen wir deutlich besser werden. Meine Hoffnung ist, dass jetzt ein Behindertengleichstellungsgesetz im Bundestag beschlossen wird, das seinen Namen auch verdient: Es geht um Gleichstellung.
Welche weiteren Möglichkeiten gibt es, neben dem Behindertengleichstellungsgesetz, zur Förderung der Inklusion?
Wir müssen verstehen, dass Barrierefreiheit ein Qualitätsmerkmal für ein modernes Land ist. Das heißt konkret: Wenn jetzt neue Wohnungen gebaut werden, und wir dabei Barrieren einbauen, dann sind wir einfach auf dem falschen Weg. Ich glaube auch, dass wir im Gesundheitsbereich vorankommen können, das könnte klappen mit dem Runden Tisch für ein barrierefreies, diverses und inklusives Gesundheitssystem, den Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach angestoßen hat. Der Zugang von Menschen mit Behinderungen zum Gesundheitssystem und zu den angebotenen Leistungen ist in Deutschland wirklich nicht gut. Wir haben eine totale Unterversorgung, besonders wenn es um barrierefreie gynäkologische Praxen geht. Und was für mich wirklich ein Ärgernis von nationalem Ausmaß ist, ist die Situation bei der Deutschen Bahn…
Quelle: Behindertenbeauftragter/Thomas Rafalzyk.
Ein Problem bei der Bahn, das ich selbst miterlebt habe, ist, dass man sich vorher anmelden muss, wenn man im Rollstuhl kommt, damit eine Person der Bahn u. a. beim Einstieg mit einer Hebebühne oder Ähnlichem helfen kann. Aber so kann man überhaupt nicht mal spontan reisen, da man ohne vorherige Anmeldung gar nicht mal in den Zug kommt.
Ja, das ist auch so ein Ding. Der Mobilitätsservice ist zeitlich limitiert, also ist nur zwischen bestimmten Uhrzeiten verfügbar. Da können wir von den Franzosen lernen: die haben diesen Mobilitätsservice vom ersten bis zum letzten Zug. Hier in Deutschland geht es morgens um 6:00 Uhr los, und abends ist dann Schluss. Wenn man dann nach 22:00 Uhr am Hauptbahnhof ankommt, hat man Pech. Das geht nicht.
Ein Beispiel, wo es gut läuft, wäre aus meiner Sicht der Hamburger Flughafen. Wenn ich dort anmelde, dass ich im Rollstuhl bin, dann klappt das einwandfrei. Da kommt jemand, unterstützt mich, nimmt mir die Koffer ab und wir gehen gemeinsam durch den Sicherheitscheck. Schwierig wird es, wenn ich alleine mit meinem Behindertenausweis durchgehen will. Entweder, weil es an den gekennzeichneten Durchgängen keine Mitarbeiter:innen gibt oder es trotz des Ausweises unangenehm ist, sich vorzudrängeln.
Ja, genau. Das führt oft zu Stress. Aber wenn wirklich jemand kommt und sich darum kümmert, dann klappt es häufig. Ich erinnere mich aber auch, dass, wenn ich am Flughafen war und zum Gate wollte, die Personen, die mir helfen sollten, automatisch mit einem Rollstuhl kamen. Ich habe ihnen immer gesagt: „Freunde, ihr könnt euch in den Rollstuhl setzen. Ich rolle euch zum Gate, aber ihr müsst mir sagen, wohin, weil ich es nicht sehen kann. Laufen kann ich einwandfrei.“ Das zeigt, dass die Leute ein anderes Bewusstsein für Menschen mit Behinderungen bekommen müssen. Ich glaube, es ist unsere Aufgabe, die Bilder, die wir von Menschen mit Behinderungen im Kopf haben, noch einmal kritisch zu hinterfragen, ob sie wirklich stimmen. Die meisten denken an Rollstuhlfahrer, einige denken vielleicht an Menschen, die blind sind, oder an junge Menschen mit Down-Syndrom. Aber die Gruppe ist komplett heterogen, komplett divers. Wir haben Intersektionalitäten, das heißt, wir haben Frauen mit Behinderungen, geflüchtete Menschen mit Behinderungen, geflüchtete queere Menschen mit Behinderungen. Es geht im Umgang mit uns nicht um Almosen oder etwas Nettes, sondern Menschen mit Behinderungen sind Bürgerinnen und Bürger unseres Landes. Sie haben genau die gleichen Rechte wie alle anderen Menschen auch. Wir haben 13,7 Millionen Menschen mit Behinderungen hier in Deutschland, und sie repräsentieren alle Teile der Bevölkerung.
Vielleicht haben Sie mein Motto in meiner Amtszeit gesehen. Das Motto heißt: „Demokratie braucht Inklusion.“ Das bedeutet für mich, Demokratie und Inklusion sind zwei Seiten derselben Medaille. Und die Leute – das erleben wir jetzt auch im politischen Diskurs –, die ein Problem mit der Demokratie haben, haben meistens auch ein Problem mit Inklusion. Deswegen ist es mir gerade jetzt im Hinblick auf die anstehenden Wahlen so wichtig, immer wieder zu betonen, dass diejenigen, die Inklusion abschaffen oder infrage stellen wollen, zentrale Werte unserer Demokratie angreifen.
Inwiefern arbeiten Sie dann mit anderen Bundesminister:innen zusammen, um Inklusion zu fördern?
Wenn ein Gesetz, eine Verordnung oder ein wichtiges Vorhaben gemacht wird – das kann zum Beispiel eine digitale Strategie sein –, müssen mein Team und ich beteiligt werden. Das klappt mal mehr, mal weniger. Wenn es weniger klappt, beschweren wir uns, und dann klappt es meistens auch. Ich arbeite natürlich auch sehr gut mit den anderen Beauftragten zusammen, wie beispielsweise der Antidiskriminierungsbeauftragten, dem Queer-Beauftragten oder dem Antisemitismusbeauftragten. Wir merken aber, dass es innerhalb der Bundesregierung immer noch gelegentlich Nachfragen gibt, ob wir wirklich beteiligt werden müssen, weil die Gesetze angeblich ja gar nichts mit Menschen mit Behinderungen zu tun hätten. Ich sage immer: „Liebe Leute, ihr macht die Gesetze für Menschen, und deswegen macht ihr sie natürlich auch für Menschen mit Behinderungen und deswegen beteiligt ihr uns.“
Viele unserer Leser:innen sind gerade in der Schule, Ausbildung oder Uni. Wie blicken Sie im Rahmen Ihrer Arbeit auf das Bildungssystem?
Im Bereich der Bildung erleben wir leider einen besorgniserregenden Rollback. In manchen Bundesländern wissen wir, dass das Thema Bildung auch benutzt wird, um Stimmung zu machen. Inklusive Bildung wird von bestimmten politischen Kräften als Ideologieprojekt bezeichnet. Da wird Stimmung gegen Menschen mit Behinderungen gemacht, und sie werden als Belastungsfaktoren dargestellt. Das ist einfach unerträglich und menschenfeindlich. Das Erstaunliche ist, dass dieses Thema der Bildung im Grunde nur eine kleine Gruppe von Menschen mit Behinderungen betrifft. Das ist zwar ein wahnsinnig wichtiges Thema, aber es gibt 13,7 Millionen Menschen mit Beeinträchtigungen in Deutschland, und nur 3 % wurden mit ihrer Behinderung geboren – so wie ich, wahrscheinlich so wie Sie. Aber mehr als 90 % bekommen ihre Behinderungen, nachdem sie zur Schule gegangen sind, durch einen Unfall, eine Krankheit oder aus anderen Gründen. Das heißt, für mehr als 90 % ist gemeinsames Lernen überhaupt kein Thema, weil sie einfach keine Behinderung hatten, als sie zur Schule gingen. Trotzdem denken die meisten bei Inklusion an die Schule und ans Lernen. Das ist ein ganz erstaunlicher Befund. Trotzdem ist das gemeinsame Lernen total wichtig, keine Frage.
Wie kann das Bildungssystem trotz dieser Zahlen inklusiver gestaltet werden, um den Bedürfnissen von Schüler:innen mit Behinderung gerecht zu werden?
Indem wir erstens eine Willkommenskultur in den Schulen für Menschen mit Behinderungen haben und man sich nicht hinter dem Argument versteckt: „Wir brauchen jetzt erst mal die personellen und sachlichen Voraussetzungen, und erst dann beginnen wir darüber nachzudenken, wie wir Inklusion realisieren.“ Das ist manchmal auch tatsächlich so eine Art Blockadehaltung, die mich wirklich stört. Es gibt Lehrerinnen und Lehrer, die sind super motiviert und wollen das gerne machen, und da fehlt es dann wirklich an den Ressourcen. Es gibt aber auch Lehrerinnen und Lehrer, die wollen es nicht. Und da muss ich ehrlich sagen: „Sorry, aber es geht jetzt auch nicht um persönliche Vorlieben, sondern wir haben die UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland als geltendes Recht, und Artikel 24 ist da eindeutig. Das bedeutet, grundsätzlich muss es die Regelschule sein. Es mag vielleicht Ausnahmen geben, aber der Grundsatz muss heißen: Alle Kinder gehen in die gleiche Schule.“
Auch braucht es natürlich, keine Frage, Ressourcen in der Regelschule. Ein Kind, das in der Regelschule ist und eine Behinderung hat, braucht die entsprechende Unterstützung. Wenn Förderschullehrer dann an die Regelschule kommen, dürfen sie nicht für Unterrichtsausfall „missbraucht“ werden. Wir müssen das Fördersystem sukzessive abbauen und die Ressourcen, die wir im Fördersystem freisetzen, ins Regelsystem stecken.
Was können Lehrkräfte direkt tun, um Schüler:innen mit Behinderung mehr zu unterstützen?
Vielleicht einfach mal die Schülerinnen und Schüler fragen, was sie brauchen. Und nicht glauben, dass man alles weiß oder es besser weiß. Zum Zweiten auch die Bilder hinterfragen, die man so hat, sich fort- und weiterzubilden, was ein echtes Problem ist, weil Fort- und Weiterbildung in diesem Bereich viel zu wenig angeboten wird. Lehrerinnen und Lehrer lernen in der klassischen Lehrerausbildung relativ wenig über Förderpädagogik, obwohl die Klassen mittlerweile sehr divers sind. Sich auf dieses Abenteuer einzulassen, ist spannend.
Zum Schluss: Wie kann man Sie oder Ihre Arbeit als Bürger:in mehr unterstützen?
Indem wir beispielsweise gute Vorschläge bekommen, also nach dem Motto, wie wir Probleme lösen könnten. Und tatsächlich müssen auch Menschen mit Behinderungen ihre Interessen und Rechte deutlich einfordern. Danke, das ist eine gute Frage. Ich habe so viele Interviews gegeben, aber diese Frage habe ich noch nie bekommen.
Das Thema der aktuellen Ausgabe ist Mut. Ich wusste sofort, dass ich über etwas mit Behinderungen arbeiten möchte, weil ich finde, dass Mut und Menschen mit Behinderungen eng zusammengehören. Man muss so viel Mut aufbringen, um Dinge zu tun, die für viele Menschen normal sind. Das habe ich gerade in der Schulzeit gemerkt. Ich wurde in der Oberstufe dreimal operiert, bekam Zahnimplantate, hatte drei Monate lang eine Lungenentzündung, wo ich nur zu Hause war, und dann noch eine Blinddarmentzündung. Ich hatte mehr Fehlstunden als Anwesenheitsstunden, habe aber trotzdem mein Abitur geschafft. Es war mir wichtig, andere mit Behinderungen zu motivieren, dass sie das durchziehen sollen, was sie wollen, egal was.
Es ist immer so, wenn marginalisierte Gruppen sich emanzipieren, braucht man Durchhaltevermögen und langen Atem. Ich komme gerade von einer Konferenz mit Menschen mit intellektuellen Beeinträchtigungen, also mit Lernbeeinträchtigungen. Ich mag den Begriff „geistige Behinderung“ überhaupt nicht. Diese Menschen diskutieren jetzt, auch teilweise mit Assistenz, ob es nicht einen besseren Namen gibt, weil in unseren Gesetzen noch „geistige Behinderung“ steht. Die Leute wollen nicht so genannt werden; sie empfinden das als abwertend und stigmatisierend.
Wenn die Leute sagen, sie wollen nicht so genannt werden, dann muss man einen anderen Begriff finden. Dieser Diskurs ist unglaublich wertvoll, weil jetzt tatsächlich Menschen mit Behinderungen sich emanzipieren und sich an solchen Diskursen beteiligen. Dazu braucht es Kraft und Durchhaltevermögen, rechtliche gesetzliche Bestimmungen, und es braucht Leute wie Sie, die darüber berichten, um diesen Spirit weiterzuverbreiten. Es geht nicht um etwas Nettes, sondern um eine urdemokratische Frage.
Vielen Dank, Herr Dusel, dass Sie sich die Zeit genommen haben!
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